Ein Interview mit Gabriele Hässig und Georg Held
Frau Hässig, die deutsche Wirtschaft ist 2024 erneut geschrumpft. Wie beeinflusst das schwache wirtschaftliche Umfeld das Geschäft der IKW-Mitglieder?
Gabriele Hässig: Spiegelbildlich zur allgemeinen Wirtschaftsentwicklung ist auch das Konsumklima nicht aus dem Keller gekommen. Beobachter machen neben der Rezession insbesondere gestiegene Preise und Zukunftsängste dafür verantwortlich. In dieser Lage zeigt sich unsere Branche erneut resilient. Wir halten unseren Wachstumskurs. Denn die Produkte unserer beiden Sparten Schönheitspflege und Haushaltspflege bleiben beliebt. Sie sorgen verlässlich für starke Umsätze im Einzelhandel.
Herr Held, welche Trends sehen Sie bei der Umsatzentwicklung?
Georg Held: Ein gepflegtes Äußeres trägt wesentlich dazu bei, dass sich Menschen wohl fühlen und sich in ihrem sozialen Umfeld sicher und selbstbewusst bewegen. Produkte, die diesem Bedürfnis entsprechen, waren auch 2024 besonders begehrt. Vor allem der Wunsch nach schönen Haaren führte zu starken Zuwächsen in der entsprechenden Produktkategorie – gefolgt von Haut- und Gesichtspflege sowie dekorativer Kosmetik. Auch für Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittel haben Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich mehr Geld ausgegeben. Beide Sparten zusammen haben in Deutschland ein Umsatzwachstum von 7 Prozent erzielt.
Rezession, Inflation, politische Instabilität im In- und Ausland: Wie begegnen Sie den Krisensymptomen?
Gabriele Hässig: Gerade bei allgemeiner Kaufzurückhaltung macht sich unsere besondere Stärke bezahlt: Die Unternehmen erkennen und erfüllen Verbraucherwünsche sehr genau. Und das tun sie mit Leidenschaft und Einfallsreichtum. Es geht dabei nicht nur um die Befriedigung von Basisbedürfnissen. Gerade in unsicheren Zeiten ist es wichtig, auch Produkte zu bieten, die zur Lebensqualität beitragen und damit helfen, optimistisch zu bleiben.
Welche Belastungen drücken die IKW-Unternehmen?
Georg Held: Unsere Mitgliedsunternehmen bestätigen mehrheitlich, dass sie aktuell stark oder sogar sehr stark unter wirtschaftlichem Druck stehen. Hauptursachen sind hohe Kosten und ein Übermaß an Regulierung. Insbesondere die aus dem Ruder gelaufene Bürokratie in Deutschland und der Europäischen Union macht vielen in unserer Branche große Sorgen. Sie ist ein gravierender Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung. Gerade bei vielen unserer mittelständischen Unternehmen binden Melde- und Berichtspflichten personelle Kapazitäten, die dann an anderer Stelle wie beispielsweise der für unsere Industrie wesentlichen Arbeit an Innovationen fehlen.
Wie wirken sich die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den Schwerpunkt Nachhaltigkeit aus?
Gabriele Hässig: Die IKW-Unternehmen betrachten nachhaltiges Wirtschaften nicht als kurzfristige Handlungsoption, sondern als grundlegende Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Mit der ständigen Arbeit an Prozessen und Produkten tragen wir unseren Teil zum Umwelt- und Klimaschutz bei, beispielsweise durch die ständige Verringerung klimaschädlicher Emissionen. Der IKW engagiert sich seit vielen Jahren in verschiedenen unternehmensübergreifenden Nachhaltigkeitsinitiativen in Deutschland und Europa und berichtet regelmäßig über die erzielten Fortschritte.
Begrüßen Sie also auch den europäischen Green Deal?
Georg Held: Unsere Industrie steht zu den Nachhaltigkeitszielen des Green Deal. Bei der Umsetzung in gesetzliche Regelungen bestehen wir allerdings auf Wissenschaftlichkeit und Fairness. Dazu zwei aktuelle Beispiele: Wir unterstützen die Klage von Cosmetics Europe vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die geplante Novelle der Kommunalabwasserrichtlinie. Denn in der vorliegenden Form müssten die Kosmetik- und Pharmaindustrie den Löwenanteil der finanziellen Belastungen neuer Kläranlagen tragen. Nach einer wissenschaftlichen Analyse tragen die Inhaltsstoffe von Kosmetika aber nur etwa ein Prozent zur gesamten Belastung der Abwässer mit Spurenstoffen bei.
Auch eine geplante Verbannung des bewährten Inhaltsstoffs Ethanol – also Alkohol – aus unseren Produkten hätte gravierende wirtschaftliche Folgen, aber keinen Nutzen. Die zu Grunde liegende Bewertung als „karzinogen“ und „fruchtschädigend“ bezieht sich auf die orale Aufnahme, also das Trinken. Alkohol in Rasierwasser oder Glasreiniger ist aber vergällt und daher nicht trinkbar.
Wie sind die Aussichten für 2025?
Gabriele Hässig: Wohin die Konjunktur in diesem Jahr steuert, ist schwer einzuschätzen. Die turbulente Entwicklung auf den internationalen Märkten, ausgelöst durch die Zollpolitik der USA und die weiter schwelenden weltweiten Konfliktherde sind Gift für die Exportnation Deutschland. Zu den positiven Einflussfaktoren zählen die geplanten staatlichen Investitionen in Sicherheit, Infrastruktur und Kilmaschutz. Sie könnten langfristig die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Mit einer kurzfristigen Aufhellung des Konsumklimas ist aber wohl nicht zu rechnen. Insgesamt bleiben die Signale aus unserer Branche positiv: Wir setzen weiter auf unsere Stärken und rechnen aufgrund der großen Verbraucherakzeptanz mit Wachstum auch in diesem Jahr.