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Reizend oder nicht reizend? Das Treuhänder-Gutachter-Modell (TGM)

Hinweis: Das TGM wurde inzwischen durch das Einstufungsnetzwerk DetNet abgelöst.

Ob ein Reinigungsmittel als reizend für die Haut oder die Augen zu kennzeichnen ist oder nicht, kann auf unterschiedliche Arten ermittelt werden. Am einfachsten ist die sogenannte Rechenmethode. Dabei wird überprüft, ob als reizend eingestufte Inhaltsstoffe bestimmte Konzentrationsgrenzen überschreiten, die der Gesetzgeber festgelegt hat.

Da für diese Grenzen vorsorglich sehr niedrige Werte gewählt wurden, kann es vorkommen, dass Produkte als reizend zu kennzeichnen wären, auch wenn sie nicht reizend wirken. Man spricht in solchen Fällen von einer „Überkennzeichnung“. Damit die Kennzeichnung ihre Warnfunktion behält, soll sie sachgerecht sein und Überkennzeichnung möglichst vermieden werden. Eine Möglichkeit, sachgerechte Kennzeichnungen zu erhalten, ist das Treuhänder-Gutachter-Modell (TGM). Ein unabhängiger Gutachter prüft dabei, ob ein Produkt reizend wirkt oder nicht. Das TGM basiert auf Analogieschlüssen zu Vergleichsrezepturen.

Vorbemerkung

Für jedes Wasch- und Reinigungsmittel muss aufgrund der bestehenden Gesetzesvorgaben geprüft werden, ob es z. B, als haut- oder augenreizend einzustufen und entsprechend zu kennzeichnen ist. Die Basis für diese Einstufung ist ein Rechenverfahren, bei dem alle Inhaltsstoffe oberhalb festgelegter Berücksichtigungsgrenzen entsprechend ihrer individuellen Gefahrenmerkmale einbezogen werden.

Die Einstufung und Kennzeichnung eines Produktes hängt davon ab, ob und in welcher Konzentration z. B. als haut- und augenreizende Inhaltsstoffe eingesetzt werden. Überschreitet die Summe den jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Schwellenwert, so muss das Produkt entsprechend gekennzeichnet werden. Dieses Verfahren heißt "konventionelle Methode" oder "Rechenmethode".

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, auf Basis von experimentellen Daten, die für das Produkt z. B. zur Haut- und Augenreizung vorliegen, von dem Ergebnis der Rechenmethode abzuweichen und das Produkt entsprechend dieses experimentell bestimmten Gefahrenpotentials zu kennzeichnen. Das ist auch im Sinne des Verbraucherschutzes sinnvoll, da z. B. eine Überkennzeichnung von Produkten den Verbrauchern ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen gefährlichen und nicht-gefährlichen Produkten nehmen würde.

Das Treuhänder-Gutachter Modell

Bei Wasch- und Reinigungsmitteln, die bei Anwendung der Rechenmethode als reizend einzustufen sind, besteht die Möglichkeit zur Überprüfung dieser Einstufung anhand eines so genannten Treuhänder-Gutachter-Modells (TGM). Dieses Verfahren wird angewendet, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die Rechenmethode in Bezug auf das Reizpotenzial zu einer Überkennzeichnung führt.

Das Modell basiert auf Analogieschlüssen zu Vergleichsrezepturen, die sich im Experiment als "nicht reizend" erwiesen haben. Dazu wird ein Expertengutachten von einem unabhängigen Gutachter erstellt. Die staatlichen Aufsichtsbehörden erhalten auf Anfrage Zugang zu allen Daten, die im Zusammenhang mit der Kennzeichnung eines Produktes entsprechend dem TGM stehen. Diese Daten sind in einem so genannten Produktdossier zusammengefasst.

Das TGM basiert auf Rezepturen, die vom Internationalen Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittelverband (A.I.S.E.), Brüssel, für den A.I.S.E.-Ansatz zur Vermeidung ungerechtfertigter Kennzeichnung als reizend zusammengestellt worden sind. Dieser A.I.S.E.-Ansatz ist eine gemeinsame Industrieinitiative und dient der Verwendung verfügbarer Daten zu wissenschaftlichen Zwecken. Erfolgt die Einstufung unter Bezug auf das TGM oder den A.I.S.E.-Ansatz, so ist zu beachten, dass damit unter Bezug auf vorhandene klinische Studien am Menschen oder historische Tierdaten eingestuft wird.

Bei der Anwendung des Treuhänder-Gutachter-Modells wird schrittweise vorgegangen:

1. Die Herstellerfirma stellt fest, ob nach der Rechenmethode eine Einstufung als reizend notwendig ist.

2. Wenn aus der Rechenmethode eine Einstufung als reizend resultiert, stellt die Herstellerfirma fest, ob es hinreichend ähnliche Vergleichsrezepturen gibt. Die Vergleichsrezepturen sind zur Wahrung der Vertraulichkeit vereinfacht und anonymisiert und können beim IKW angefordert werden. Die zugrunde liegenden Original-Rezepturen und Testprotokolle liegen dem Treuhänder vor. Für die Durchführung des Begutachtungsverfahrens nach dem Treuhänder-Gutachter-Modell wählt die betroffene Herstellerfirma eine oder mehrere hinreichend ähnliche Vergleichsrezepturen aus.

3. Wenn es hinreichend ähnliche Rezepturen gibt und die Herstellerfirma eine Begutachtung der eigenen Rezeptur wünscht, so sind alle für die Begutachtung relevanten Unterlagen (z B. exakte Rezeptur, pH-Wert, Ergebnis der Einstufung nach der konventionellen Methode, Sicherheitsdatenblätter aller eingesetzten Rohstoffe) in einem verschlossenen und versiegelten, mit vertraulich/persönlich gekennzeichneten Umschlag zu richten an:

   Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel e. V.
   z. Hd. Herrn Dr. Bernd Glassl
   Mainzer Landstraße 55
   60329 Frankfurt am Main

Der IKW-Treuhänder bestätigt der anfragenden Herstellerfirma schriftlich den Eingang der Unterlagen und übernimmt die Konsultation des wissenschaftlichen Gutachters.

4. Dieser wissenschaftliche Gutachter führt nun einen Vergleich des zu begutachtenden Produktes mit den Original- Vergleichsrezepturen und den dazugehörigen Originaltestprotokollen durch. Der Gutachter sendet das erstellte Gutachten zusammen mit allen vom IKW eingereichten Unterlagen an den IKW-Treuhänder.

5. Vom IKW-Treuhänder erhält die Herstellerfirma das Gutachten, zusammen mit allen beim IKW eingereichten Unterlagen, in einem verschlossenen und versiegelten und als vertraulich/persönlich gekennzeichneten Umschlag, zusammen mit der Rechnung für das erstellte Gutachten.

Die vertrauliche Behandlung aller dem IKW-Treuhänder zur Verfügung gestellten Unterlagen ist gewährleistet.

6. Im abschließenden Schritt wird das Produkt durch die Herstellerfirma auf Grundlage des Gutachtens eingestuft und gekennzeichnet. Das Gutachten ist wesentlicher Bestandteil des in der Vorbemerkung erwähnten Informations- oder Produktdossiers.

* Zur Einstufung und Kennzeichnung von Waschmitteln, Handgeschirrspülmitteln und Reinigungsmitteln

aktualisiert Juni 2015

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